Das geistliche Wort zu Ostermontag

|   Geistliches Wort zum Feiertag

Predigtgedanken am Ostermontag 2022 – Jona 2

Ich liebe Jona -

dieses schmale Büchlein im Alten Testament.

Wie oft habe ich Kindern diese Geschichte erzählt

von dem Propheten, der weg läuft vor seinem Auftrag -

der großen Stadt Ninive Gottes Meinung zu sagen - ,

der weg läuft, weil er ahnt – vielleicht auch von früheren Propheten -,

dass am Ende noch einmal alles anders kommt, gnädiger;

von dem Propheten, den Gott verschlingen lässt von einem großen Fisch,

um ihn so zu retten und neu einzufangen für seinen Auftrag;

von dem Propheten, der mit der kürzesten Bußpredigt der Welt

eine große Stadt zur Einsicht bewegt

und sich am Ende ärgert, weil er Recht behält mit der Ahnung,

dass Gott Ninive schließlich doch verschont.

Wie oft habe ich Kindern diese Geschichte erzählt,

mit ihnen das Menschlein im Wal gemalt – wie ein Kind im Mutterleib -

und dazu die Ballade von Klaus-Peter Hertzsch gesungen:

„Die Stimme schwang, das Echo klang, der ganze Fisch war voll Gesang.“

 

Ich liebe Jona,

aber noch nie habe ich für Jugendliche und Erwachsene darüber gepredigt.

Jonas Psalm ist tatsächlich eine Neuentdeckung

des Predigtplans für den Ostermontag.

„Und Jona betete zu Gott im Leibe des Fisches und sprach:

Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst und er antwortete mir!“

Liebe Gemeinde, ich lese und ahne,

wie ich mich selbst einzeichnen kann in das Bild des betenden Jona im Fisch

mit meinen eigenen verschlungenen Wegen und der Flucht vor dem, was jetzt dran ist,

mit dem Weglaufen vor mir selbst und dem, was ich tun soll.

Mein Stolpern und Stürzen ist darin, mein Untergehen.

Vielleicht auch meine Rettung und mein Auferstehen?

 

In frühen Zeiten, im 3. Jahrhundert,

malten Christen das Jona-Bild auf die Wände der Calixtus-Katakombe in Rom.

Sie schmückten damit ihr unterirdischen Gräber.

Jona im Fisch wurde ihnen zum Osterzeichen, zum Hoffnungzeichen

für ihre heimlichen Gottesdienste.

Hatte nicht schon der Herr, Jesus, das Zeichen des Jona prophezeit?

Drei Tage hatte er im Grab geruht wie Jona im Bauch des Fisches.

Vielleicht hatte auch er im Tod noch gebetet wie der Prophet:

„Ich schrie aus dem Rachen des Todes und du hörtest meine Stimme.“

Nach drei Tagen rettete Gott Christus .

Er riss ihn aus dem Schlund des Verderbens wie Jona.

Diese Jona-Christus-Geschichte gab den frühen Christen Kraft in ihrer Verfolgung.

In den dunklen und nassen Höhlengängen unter der großen Stadt

fühlten sie sich beiden nach:

dem Propheten im See-Ungeheuer und dem Christus im Grab.

Und sie beteten und hofften auf den dritten Tag.

„Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, die Tiefe umringte mich,

Schilf bedeckte mein Haupt und ich sank hinunter zu der Berge Gründen,

aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt.“

Annette Kurschus, die Vorsitzende des Rates der EKD

erzählt in einer Predigtmeditation, wie sie Jonas Psalm las

an der Küste von Lampedusa, an der Skulptur für das Tor Europas,

das ein bisschen einem riesigen Fischmaul ähnelt -

Rettung oder Verderben für die Vielen, die aus Verzweiflung und Sehnsucht

die gefährliche Flucht aus Afrika über das Meer wagen.

Annette Kurschus erzählt von Martha Bernandini,

einer jungen Frau der NGO Mediterranean Hope,

die sich um eine menschliche Aufnahme der Geflüchteten bemüht.

Martha erzählt:

 

„Wir haben viele Jonas getroffen hier auf Lampedusa.

Ich hätte gerne all ihre Gebete und Geschichten gehört.

Aber wie oft wurden ihre Stimmen ignoriert?

Wir sind es, die entscheiden, wer gehen muss oder bleiben darf.

Wir haben die Macht zu entscheiden, wer wichtig oder unwichtig ist.

Aber Gott hat in Jesus Christus all diese Maßstäbe aufgehoben.

„Die Hilfe ist beim HERRN!“, singt Jona.

Wir sind hier, um diejenigen willkommen zu heißen, die an unsre Tür klopfen.

Das ist das Herzstück des Evangeliums, das wir bezeugen.“

 

Liebe Gemeinde, je mehr ich mich in Jonas Geschichte vertiefe,

um so deutlicher sehe ich,

sie bildet persönliche Tiefpunkte ab, aber sie hat auch politische Brisanz.

Das Osterzeichen – Jona im Fisch – gehört an viele dunkle Orte dieser Welt,

von denen unklar ist, ob sie Schutz bieten oder Verderben -

in die Katakomben Roms wie in die Keller Kiews und an die Küste Lampedusas.

 

Ich schaue noch einmal in die Bibel, auf den Psalm des Propheten.

Wahrscheinlich wurde er erst nachträglich in die Geschichte eingefügt,

und er passt logisch auch nicht ganz. Er steht in der Vergangenheit.

Betend erinnert sich Jona an seine Klage und an seine Rettung.

So gesehen gehört der Psalm eher an Land als in den Fischbauch. Oder?

In der Predigtordnung ist er gewandert: vom Karsamstag zur Osternacht.

Damit wird genau das ernstgenommen.

Jonas Psalm ist das Danklied eines Auferstandenen.

Ob das schon vorweg genommen werden kann als Hoffnung am Tiefpunkt?

Oder ob es erst nach der Rettung vorstellbar ist?

Das bleibt eine offene Frage biblisch wie existentiell.

 

Ich jedenfalls liebe Jona, seine Geschichte und mehr noch seinen Psalm.

Er nimmt uns heute hinein in das Ostergeheimnis:

Wie tief du auch stürzen, wie weit unten auch immer du sitzen magst -

und sei es im Tod - der dich gemacht hat und der dich lieb hat, geht dir nach.

Er ist schon da; da, wo du hinein fielst, und da, wo du fest sitzt,

wo es dich rüttelt und schüttelt und wo du denkst, es ist das Ende.

Gott sucht und erwartet und findet uns und alle Welt.

Er wird uns nicht dort lassen, wo Angst und Schrecken sitzen.

Wie er Jona, wie er Jesus nicht dort gelassen hat.

„Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott!. Halleluja!“

 

Ulrike Scholtheis-Wenzel 18. April 2022

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