Widerstand aus christlicher Überzeugung

Joachim Hennig zeichnet Paul Schneiders Leben nach

Am 126. Geburtstag ihres Namensgebers lud die Evangelische Paul-Schneider-Gemeinde zu einem Vortrag von Joachim Hennig aus Koblenz nach Bad Sobernheim ein. Der frühere Richter am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte seine Dokumentation über Paul Schneider und seine Familie vor und eröffnete dabei auch einen juristischen Blick auf Leben und Tod des „Predigers von Buchenwald“. Gut 50 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten interessiert seiner Darstellung und diskutierten angeregt über den neu eröffneten Blickwinkel.

„Die Umstände von Paul Schneiders Tod im Konzentrationslager Buchenwald sind bis heute nicht restlos geklärt“, betonte Joachim Hennig. „Sicher ist nur, dass er durch Mörderhand starb.“ Akribisch hat er in seiner Dokumentation die Berichte von Mithäftlingen Schneiders zu dessen Todesumständen untersucht. Daraus ergaben sich Zweifel an der Darstellung, Paul Schneider sei durch eine Überdosis des Herzmedikaments Strophanthin gezielt ermordet worden. Für wahrscheinlicher hält er, dass die monatelangen Misshandlungen in der Arrestzellen ihn so geschwächt hatten, dass er daran verstarb. Nichts davon lasse sich jedoch „gerichtsfest“ beweisen, betonte Hennig.

In seiner zweigeteilten Präsentation beleuchtete Hennig zunächst Leben und Schicksal Paul Schneiders von seiner Geburt im ehemaligen Dorf Pferdsfeld über seinen Militärdienst im Ersten Weltkrieg, Studium, praktische soziale Arbeit, Heirat und Wirken als Pfarrer bis zu seinen Konflikten mit dem nationalsozialistischen Regime, die schließlich zu seiner Verschleppung ins KZ Buchenwald und seiner Ermordung am 18. Juli 1939 führten.

Die Stationen des Lebenswegs Paul Schneiders waren vielen Menschen im Auditorium bereits bekannt. Sie interessierten sich vor allem für die Konfliktlinien mit dem NS-Staat, der Partei und auch mit der damaligen Kirchenleitung, die Hennig nachzeichnete. Im damaligen Kirchenkampf zwischen den nazitreuen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche war die kirchliche Obrigkeit der Altpreußischen Union vollkommen in der Hand der Deutschen Christen. Sie tat nichts, um ihren vom Regime bedrängten Pfarrer zu unterstützen. Fragen aus dem Publikum erhoben sich nach dem Verhalten der damaligen Justiz, das Hennig ebenfalls darstellte. Wie er herausfand, gab es Versuche, Paul Schneider in einem Schauprozess abzuurteilen. „Der kam aber nicht zustande, wohl, weil man befürchtete, nicht genügend juristisch eindeutiges Material für eine Anklage in der Hand zu haben“, erläuterte er. Darum trat schließlich die Geheime Staatspolizei Gestapo auf den Plan und verfügte Schneiders Deportation nach Buchenwald.

Im zweiten Teil seines Vortrags ging Hennig auf das Echo ein, das Schneiders Widerstand nach dem Ende des Krieges fand. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Margarete Schneider, die nach dem Tod ihres Mannes mit ihren sechs Kindern allein blieb. Unermüdlich setzte sie sich dafür ein, dass dessen Schicksal überhaupt bekannt wurde. „Nur ihr ist es zu verdanken, dass die Erinnerung an Paul Schneider wach geblieben ist“, erklärte Hennig. Für diese Leistung und für ihr Engagement im sozialen Bereich sowie in der Friedensbewegung erhielt Margarete Schneider im Jahr 2000 das große Verdienstkreuz des Verdienstorderns der Bundesrepublik Deutschland.

Es kommt wohl nicht von Ungefähr, dass Joachim Hennig für den Titel seiner Dokumentation den Konfirmationsspruch Paul Schneiders auswählte. Es ist ein Jesus-Zitat, überliefert im Johannes-Evangelium. Wörtlich lautet es: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“ Der Evangelist beschreibt eine Gerichtsszene: Jesus steht vor dem römischen Statthalter Pilatus. Dieser Spruch, ausgewählt von seinem Vater für einen 14-Jährigen sollte dessen ganzes Leben prägen.

 

Zur Person: Joachim Hennig

Joachim Hennig, Jahrgang 1948, engagiert sich seit 25 Jahren in der Gedenkarbeit. Neben zahlreichen Publikationen, Ausstellungen und Filmen veröffentlichte er 2021 die Dokumentation „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme – Pfarrer Paul Schneider und seine Familie“. Das Lebensbild eines Widerständlers aus dem christlichen Glauben heraus enthält zahlreiche Fotos aus dem Familienbesitz sowie anrührende Briefe und Zeichnungen, die aus der Gestapo-Haft hinausgeschmuggelt wurden. Das Buch ist im Rhein-Mosel-Verlag erschienen. ISBN 978-3-89801-386-4.

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