PREDIGT VON EMMANUEL HAKIZIMANA ZUM RUANDA-GOTTESDIENST AM 4. SEPTEMBER 2022

Lesung und zugleich Predigttext aus Lukas 10, 25 – 37 und Genesis 2, Vers 7

25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?

26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?

27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst«.

28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.

29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?

30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.

31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber.

32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber.

33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn;

34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.

35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.

36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war?

37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!

Und in Genesis 2, Vers 7 heißt es:

7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.

 

PREDIGT VON EMMANUEL HAKIZIMANA ZUM RUANDA-GOTTESDIENST AM 4.SEPTEMBER 2022

Prädikantin Birgit Herrmann: „Die Predigt heute entstammt nicht meiner Feder und es sind nicht meine Gedanken. Sie wurde bereits am 6. Mai 2022 von dem Vorsitzenden des Partnerschafts-Komitees aus Rubengera, Emmanuel HAKIZIMANA für den heutigen Sonntag verfasst.

Die Worte dieses Mannes waren und sind für mich so eindrücklich, dass ich keine eigenen Worte mehr gefunden habe und ich daher beschlossen haben, sie Ihnen / Euch nicht vorzuenthalten. Genau diese Predigt ist heute auch in Ruanda zu hören.

 

Emmanuel HAKIZIMANA schreibt“:

PREDIGT ZUM PARTNERSCHAFTSSONNTAG am 3./4.9.2022

Bibeltexte: Lukas 10, 25-37 und Genesis 2, 7

THEMA: WER IST MEIN NÄCHSTER?

An dem heutigen Partnerschafts-Sonntag 2022 hält uns Gottes Wort an, über die Frage nachzudenken: Wer ist mein Nächster?

Gott hat dieser Erde das Leben geschenkt und er hat es in der Weise organisiert, dass das Leben der Menschen sie zum Glück führen sollte. Aber in unserer heutigen Welt werden viele Barrieren zwischen den Menschen errichtet, sodass sie jeweils ihrem eigenen Schicksal überlassen sind. Wir sehen Kriege innerhalb von Ländern und sogar zwischen Ländern, Menschen kümmern sich nicht um das Leben der Anderen.

Der Feind des Menschen ist der Mensch selbst geworden. Leiden und Unrecht gibt es hier und dort und diejenigen, die nicht leiden, fühlen sich nicht betroffen. Aber Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“.

Wen soll ich also lieben?

Wer ist mein Nächster?

So lautet die Frage, die der Schriftgelehrte an Jesus gerichtet hat. Die Frage ergibt sich aus dem Gebot der Nächstenliebe, deren Erfüllung ewiges Leben verheißt: Gott mit ganzem Herzen zu lieben, mit ganzer Seele, mit ganzer Kraft, mit all seinen Gedanken, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst.

Wer ist mein Nächster? Ist es nicht einfach der, mit dem ich in familiärer Beziehung stehe? Der mit dem ich meine Überzeugungen teile? Der dieselbe Nationalität hat wie ich? Der mit derselben Konfession?

Das Glück aller Menschen auf Erden ist nur möglich, wenn unsere Lebensentwürfe und -konzepte dadurch verbessert würden, dass wir das Gesetz der Nächstenliebe anwenden. Der Rechtsgelehrte spricht sie auswendig: Gott lieben und seinen Nächsten lieben. Wird dies nicht gelebt, so kann auch das ewige Leben nicht erlangt werden.

Um dem Schriftgelehrten zu veranschaulichen, wer der Nächste ist, lädt Jesus ihn zu einem tiefen Nachdenken ein und erzählt ihm die Geschichte von einem Juden, der durch Räuber verletzt wurde, die ihn halbtot auf der Straße, die von Jerusalem nach Jericho führt, haben liegen lassen. Es ist also auf dem Lebensweg, wo wir unseren Nächsten finden.

Der Priester und nach ihm der Rechtsgelehrte gingen vorbei, sahen ihn und ließen ihn liegen; wahrscheinlich diente ihnen das Befolgen ihrer religiösen Gesetze, ihre religiöse Reinheit, als Ausrede, die vorschreiben, sich einem Fremden nicht zu nähern, sich einem Toten nicht zu nähern, sich nicht mit Blut zu beschmutzen. So war ihre Haltung gegenüber dem lebensgefährlich Verletzten.

In unserem Leben haben wir zahlreiche Ausreden für die Nachlässigkeit angesichts von bedrohten Leben. Auch der Samariter kam vorbei, sah den Sterbenden, ließ sich nicht von Barrieren davon abhalten, sich dem Juden zu nähern. Der Samariter wurde von dem Juden als Ungläubiger angesehen, mit dem man sein Leben nicht teilen durfte. Für die Mehrheit der Rabbiner jener Zeit galt als Nächster des Juden nur ein Jude. Als der Samariter den todgeweihten Juden sah, war er von Mitleid ergriffen, versorgte dessen Wunden, hob ihn auf sein Reittier, sorgte für eine Unterkunft und Essen. Er beglich die entsprechende Rechnung und beschloss, auf seinem Rückweg auch die weiteren anfallenden Kosten für die Beherbergung zu bezahlen.

Warum gibt es auch in unserer Welt Widersprüche in Bezug auf das Leben, die sogar so weit gehen, dass wir das von Gott geschaffene Leben unterdrücken?

Es ist die Folge der Entwürfe, die wir uns vom Leben machen. Der Lebensentwurf, den wir in uns tragen, beeinflusst unser Leben innerhalb der Gesellschaft, unsere Haltung gegenüber dem Leben der Anderen.

Sprechen wir über die unterschiedlichen Lebenskonzepte in der Geschichte, die Jesus dem Schriftgelehrten erzählt.

Zunächst einmal haben wir das Lebenskonzept der Räuber. Die achten das Leben des anderen nicht. Sie verletzten es und beuten es aus für ihr eigenes Glück. Für sie gilt nur ihr eigenes Leben, selbst wenn das bedeutet, Gewalt anzuwenden, um an das Eigentum anderer zu gelangen.

Unsere Welt ist voll von Menschen der Kategorie Räuber. Sie lassen andere leiden und bereichern sich am Eigentum der anderen.

Die andere Konzeption in unserer Welt ist die des Priesters und des Leviten.

Für sie ist das Leben des anderen nicht von Relevanz, es betrifft sie nicht. Nur ihr eigenes Leben ist schützenswert. In unserer Welt denken viele an sich selbst, ohne sich um die anderen Gedanken zu machen. Die Ausreden dafür sind zahlreich.

Schließlich haben wir in dieser Parabel auch das Konzept des Samariters. Der meint, dass sein Leben Hand in Hand gehe mit dem des anderen, und er tut alles dafür, das Glück zu teilen.

Der Samariter hat sich zum Nächsten gemacht für den notleidenden Juden. Er war des Juden Nächster.

„Sein Nächster ist der, der ihm gegenüber barmherzig war“, bestätigte der Schriftgelehrte gegenüber Jesus. Es liegt an uns, die Not der anderen zu bemerken. Das wahre Leben zeigt sich in der Art und Weise, wie wir unser Herz einbringen, in der positiven Aufmerksamkeit, die wir dem uns umgebenden Leben entgegenbringen. Ohne diese Liebe, die zueinander führt, ist das Leben bedroht.

Wenn wir egoistischen Zielen nacheifern, dann schränken wir uns ein, sogar so weit, dass wir angesichts der Not anderer nicht tätig werden.

An uns wird ein zweifacher Auftrag gerichtet: Jede uns nahe Person, jeder Mensch, dem wir begegnen und um den wir uns kümmern, jeder, dem wir entgegengehen, ist unser Nächster.

Der Nächste ist aber auch der, der kommt, der sich uns nähert, um positiv auf unser Leben einzuwirken.

Erinnern wir uns daran, dass das Wertvollste das Leben ist. Wir erhalten es als Geschenk Gottes. „Gott, der Ewige, schuf den Menschen aus dem Staub von der Erde, er blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase und der Mensch wurde ein lebendiges Wesen.“ (Genesis 2, 7).

Wir haben die Pflicht, dieses menschliche Leben und die Schöpfung insgesamt zu beschützen. So wie unser Gott ein Gott des Lebens ist, muss der Mensch sich all dem zuwenden, was das Leben besser macht. Das Leben der anderen betrifft auch uns.

Der Nächste, den müssen wir werden. Das Glück ist ein größeres, wenn wir nützlich sind.

Der Samariter war froh, ein Leben gerettet zu haben; und gleichzeitig hat der Verletzte ins Leben zurückgefunden. Das Glück hat sich auf beiden Seiten vermehrt.

Warum gibt es überall Kriege und Ungerechtigkeiten?

Die Ursache liegt in den Lebenskonzepten der Räuber und der Priester und Leviten. Der Samariter ist uns Vorbild eines Nächsten, eines Nächsten gegenüber denen, die uns umgeben, und der gesamten Menschheit. Machen wir aus unserer Partnerschaft einen Ort des Einschreitens für das Leben, und tun wir unser Möglichstes, damit das Leben der anderen in nah und fern blühen möge.

Die Christinnen und Christen des Kirchenkreises Rubengera sind die Nächsten jener in der Region An Nahe und Glan und umgekehrt. Und darauf ist die Nächstenliebe und Partnerschaft nicht beschränkt. Sie bezieht sich auf alle Menschen, vor allem auf jene in Not.

Mit ihren Gemeindegliedern sind die Kirchenkreise Rubengera und Nahe und Glan aufgerufen, jede Gewalt, Ungerechtigkeiten jeglicher Art, die der Nächstenliebe zuwiderlaufen, anzuklagen und zu bekämpfen. Lasst uns Liebe dort säen, wo es an ihr fehlt.

Wir müssen die Liebe zu unserem Nächsten leben. Gott tut uns Gutes, weil er uns liebt.

Auch wir haben die Pflicht, zu lieben und den anderen Gutes zu tun. Ohne die Lieben zu unserem Nächsten sind wir des ewigen Lebens nicht würdig.

Jesus Christus ist zu uns gekommen, uns das ewige Leben zu schenken. Und er begleitet uns durch unser Leben und ist uns Stütze und Halt. Er ist unser Nächster. Er nähert sich uns und bringt die Menschen zusammen.

Möge der Herr uns zum Nächsten unserer Mitmenschen machen.

Amen.

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