Gedanken zum Sonntag Trinitatis

Predigt zur Jubelkonfirmation

Jesus Christus spricht:

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus stoßen.“

 

Johannes 6, 37 - das ist die biblische Losung dieses Jahres 2022.

Fast eine Einladung, wäre da nicht der scharfe Ton auf dem letzten Wort: hinaus stoßen.

Ich übersetze für mich:

Jesus sagt: Wer zu mir kommt, den schicke ich nicht weg.

Wer auch immer kommt, wieder kommt, zurück kommt – ich bin für ihn da.

 

Und damit wirklich willkommen, Ihr goldenen und diamantenen,

Ihr Gnadenkonfirmandinnen und – konfirmanden!

Es sind ja längst nicht alle gekommen.

Die Teilnahme an der Jubelkonfirmation wird seit einigen Jahren schon

zur persönlichen Entscheidung, auch in unserer kleinen Stadt.

Nicht jeder ist beim Glauben geblieben, geschweige denn in der Kirche.

Nicht jeder pflegt noch die Gemeinschaft des Jahrgangs.

Wir spüren auch hier: die Gesellschaft wird säkularer und individualistischer.

 

„Jesus Christus spricht:

Wer immer zu mir kommt, den werde ich nicht weg schicken.“

 

Wie gut, dass Sie heute da  sind mit Ihren Ehepartnern, Ihren Freundinnen, Ihren Kindern!

Denn Glaube – um die Jahreslosung aufzugreifen – ist selten einfach ein Bleiben.

Glaube ist ein Kommen und Gehen, ein Wanken und Stehen,

ein Sichzurückziehen, Verschwinden und Wiederkommen.

Das gilt  für die allermeisten und besonders im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre.

Krankheit und Krieg haben viele zurückgeworfen in private Einsamkeit, politische Zweifel -

und Unglauben? Vielleicht auch das!

Die Fragen jedenfalls werden mit den Lebensjahren nicht weniger.

 

Wollt ihr auch weggehen? , fragt Jesus seine Jünger. Ernsthaft.

Und Petrus antwortet: Wohin denn?! Du hast Worte ewigen Lebens.

Wie gut, dass Sie heute gekommen sind, diese Worte neu zu hören.

 

Natürlich sind Sie auch da, um tausend Erinnerungen zu teilen

an die Zeit vor 50, 60, 70 Jahren, als Sie noch vierzehn waren

und noch nicht ahnten, wie schwer, wie ernst das Leben sein kann.

Wir erzählten uns von drei Konfirmationen im westdeutschen Wirtschaftswunder:

1952: Sammeltassen, Handtücher, Buttercremetorte und der Onkel mit dem ersten Auto.

1962: Bettwäsche, Kuchengabeln aus Altsilber und drei Brieftaschen – leider leer.

1972:Weiterhin Wäsche und Tafelsilber,

als müsste gerade jetzt der Grundstock für die Aussteuer gelegt werden.

Aber die Röcke wurden kürzer, die Haare länger, die Musik moderner.

Erinnerungen. Wir hielten inne.

Wir erinnerten uns eigentlich nur an Äußerlichkeiten, an den wachsenden Wohlstand.

Zum Glück hatte Ulrike Schneider-Kimling noch das Konfirmationsprogramm von 1972.

Viele Lieder von damals haben wir in diesen Gottesdienst aufgenommen.

Wir lasen, damals trugen die  Konfirmanden  eigene Gedanken zum Thema Zukunft vor.

Drei Eltern sprachen ein eigenes Gebet und der Pfarrer spielte Gitarre.

Das war eine gute Erinnerung an Modernität und Beteiligung in der alten Kirche.

Was aber ist geblieben vom Glauben?

Von der gewissen Überzeugung und dem herzlichen Vertrauen,

wie es im Heidelberger Katechismus heißt.

Das ist heute die persönliche Frage an die nun 84 jährigen,

die sich gegen ihre schwindenden Kräfte behaupten und schon viel Trauer mit sich tragen.

Was ist geblieben von Eurem Glauben, Ihr 74 jährigen?

Ihr seid meistens noch mobil, aber die Krankheiten häufen sich. Das geht an die Substanz.

Was ist geblieben, Ihr 64 jährigen an der Schwelle zum Ruhestand, dem fremden Terrain?

Was ist geblieben vom Vertrauen in die Auferstehung und das Leben?

Wo stehen, wie denken Sie darüber, heute?

 

„Jesus Christus spricht:

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht weg schicken.“

Selbst wenn er mit innerer Distanz und Ironie vor mich tritt.

 

Jesus spricht ja zum ganzen Volk, nicht nur zu den Jüngern. den Frommen

Viel Volk lief Jesus nach, weil sie gehört hatten oder sogar erlebt,

dass er Hunger stillte und Stürme auch.

Sie staunten über diese Wunder, aber sie verstanden die Zeichen noch nicht.

Dass Jesus den Lebenshunger stillt mit seiner Liebe.

Dass er die Wogen der Furcht glättet mit seinem Wort.

Die meisten blieben beim oberflächlichen Verständnis hängen

und ihr Glaube wurde in der nächstbesten Krise erschüttert.

Die Frage an uns ist: Sind wir geistlich bei der Konfirmation stehen geblieben?

An diesem Punkt zwischen Kinderglauben und Erwachsenenglauben?

Oder konnten wir weiter gehen und tiefer verstehen, was Jesus sagt,

als er sich selbst als Brot des Lebens bezeichnet. Und als Weinstock.

Als die Auferstehung und das Leben...?

 

„Jesus Christus spricht:

Wer zu mir kommt, den weise ich nicht ab,

wenn er nur ehrlich fragt und offen ist und lernen möchte.“

 

Am vergangenen Dienstag hat in unserer Gemeinde  ein neuer Konfi-Kurs begonnen

mit seinen Fragen an Gott.

Fragen von 14 jährigen in unruhigen Zeiten:

Wie geht es dir, Gott, wenn du die Erde siehst mit Klimakatastrophe und Krieg?

Warum hast du Corona zugelassen? Und den Krebs meiner Oma?

Wann werde ich sterben und gibt es ein Leben danach?

Liebe Jubelkonfirmandinnen und – konfirmanden, haben wir mit 14 so gefragt?

So informiert, so ernsthaft, so besorgt?

 

Vielleicht führen diese Fragen die Generationen noch einmal zusammen,

die Großeltern und die Enkel.

Vielleicht führen sie uns noch einmal zurück zur Religion, zum Vertrauen in Gott und unseren Nächsten.

Nach allem, was uns geschehen ist und was uns auch verzweifeln ließ,

Jesus wartet immer noch – mit Worten des ewigen Lebens. Amen.

 

 

Ulrike Scholtheis-Wenzel 12. Juni 2022

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