Gedanken zu Galater 5,1

Predigt zum Gottesdienst mit Taufe und Begrüßung des Konfirmandenjahrgangs am 25.09.2022

Liebe Tauffamilie, liebe Konfi-Familien, liebe Gemeinde,

 

darf ich vorstellen: der erfolgreichste Influencer des 1. Jahrhunderts: Paulus!

Seine Follower nannten ihn Apostel Paulus.

Er lebte in einer Zeit ohne Internet, ohne social media – whatsapp, instagram, tiktok -,

aber er war ein Künstler der Kommunikation:

In Sachen Evangelium reiste er um das halbe Mittelmeer,

meist zu Fuß, manchmal per Schiff.

Er hielt Reden, wohin er auch kam. Er schrieb ungezählte Briefe.

(In der Bibel steht nur eine kleine Auswahl).

Seine Freunde sagten: Paulus Briefe sind stärker als seine Live-Auftritte.

Seine Predigten – na ja! Hinter vorgehaltener Hand hieß es,

in Troas sei ein Jugendlicher vor Langeweile eingeschlafen,

fiel aus dem Fenster, zweiter Stock!, war tot, aber Pauus weckte ihn flugs wieder auf.

Hm. Das erzählte man so hinter vorgehaltener Hand. (Apg 20)

Paulus Predigten – naja!

Aber seine kurzen Briefe – seine tweets sozusagen – unübertroffen!

Die verbreiteten sich unglaublich schnell. Zum Beispiel dieser:

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“

 

Ursprünglich ging die Kurznachricht an Christinnen und Christen in Galatien.

Wo das ist? - In der Türkei. Mitten in Anatolien.

Vergesst nicht: Da nahm das Christentum seinen Anfang: in Asien. Nicht etwa in Europa.

Da nahm das Christentum seinen Anfang. Auf Griechisch.

Das war die Weltsprache Nr. 1 im römischen Reich. Paulus Muttersprache:

eleuteria hemas christos eleuterosen.

 

„Zur Freiheit hat euch Christus befreit.“

 

„Wieso?“, mögen die Leute gefragt haben, „sind wir etwa unfrei?“ -

„Allerdings!“, schreibt Paulus und setzt noch einen tweet hinterher:

„Ihr seid wie Sklaven. Ihr seid wie Ochsen unter dem Joch.“

Das müssen wir kurz googlen, um es zu verstehen:

Joch – Querstange auf der Schulter eines Zugtieres,

zum Einspannen von schwerem Gerät: Pflug oder Mühle. - Aha!

Paulus meint das natürlich im übertragenen Sinn:

Euer Leben steht unter Druck, unter Zwang.

Ihr seid wie Ochsen – eingespannt. Ihr seid wie Sklaven – fremdbestimmt.

Ihr lasst euch viel zu viele Regeln und Gesetze auferlegen. Auch religiöse.

 

Zu Paulus’ Zeit war die Beschneidung ein ganz großes Thema für die Christen.

Muss man oder muss man nicht?

An der Frage zerbrachen Familien, Freundschaften, ganze Gemeinden.

Und dann die Sache mit der koscheren Ernährung: Schweinefleich – ja oder nein?

Fleisch und Milch zusammen essen oder nur streng getrennt? Oder gleich vegan?

Spezialisten empfehle ich den Römerbrief.

Paulus twittert : „Ihr müsst gar nichts! Vergesst alle Regeln und religiösen Vorschriften.

Bis auf eine: Einer trage des anderen Last. Einer helfe dem anderen in der Not.

Damit habt ihr das ganze Gesetz, Mose und die Propheten, aber auch schon erfüllt.

Mehr ist nicht nötig.

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“

 

Zeitsprung: 1500 Jahre später.

Martin Luther liest den tollen Tweet und ist hell begeistert.

Er kommentierte für seine Freunde:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr und niemandem untertan – im Glauben!“

Das war ganz schön aufrührerisch in der damaligen Gesellschaft.

Etliche Bauern griffen gleich zu den Waffen, es floss viel Blut.

Luther fühlte sich völlig missverstanden. „Halt!“, schrie er,

„ ich hab doch gesagt „im Glauben“, niemandem untertan im Glauben!“

Da waren Thomas Müntzer und die Bauern tief enttäuscht:

„Für Freiheit im Glauben kann man sich nichts kaufen, Luther.

Davon wird man nicht satt. Da muss schon mehr kommen an Gerechtigkeit.“

Ein ungelöster Streit, angestoßen durch den Influencer Paulus.

Eine offene Geschichte.

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“

 

Jetzt aber genug Geschichte,

sonst fällt noch ein Jugendlicher vor Langeweile von der Bank.

Wir leben in der Gegenwart, im 21. Jahrhundert.

Ich persönlich glaube, der Paulus-Tweet hat immer noch Potential,

Menschen aufzurütteln und frei zu machen.

Wieso? Sind wir etwa unfrei? - Ich fürchte: Ja!

Was wir denken und fühlen, was wir kaufen und essen

ist in hohem Maße fremdbestimmt. Stichwort Internet.

Meinungen werden gemacht mit viel, viel Geld.

Ich fürchte, wir sind viel stärker eingespannt in fremde Interessen, als uns lieb ist.

Wie schrieb Paulus drastisch: Ihr seid wie Ochsen unter einem Joch.

Nur gibt es eine Möglichkeit, davon frei zu kommen,

ein bisschen unabhängiger zu werden, sozusagen man selbst?

Zurück zu Paulus:

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“

 

Wer Geduld hat für den ganzen Galaterbrief, erfährt,

für Paulus war die Taufe das Symbol der Freiheit.

Bei der Taufe wird ein Mensch unter den Einfluss von Jesus Christus gestellt.

Und das macht ihn im Prinzip frei von jeder Fremdbestimmung.

Er wird sichtbar als Kind Gottes, unverfälscht er selbst.

Und ein Leben lang – schreibt Paulus an die Galater- wird es dann drauf ankommen,

diese Freiheit zu verteidigen. „Haltet sie fest! Lasst euch nicht einspannen und einwickeln!

Lasst euch nicht für dumm verkaufen!“, twitterte er schon im 1. Jahrhundert.

 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“

 

Liebe Marie, lieber Philip, das ist der tollste Tweet zur Taufe eures Matteo.

Unter dem Einfluss Christi ist er ein freier Mensch, offen, neugierig und kritisch

und so soll er auch erzogen werden.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern,

das ist die beste Botschaft der Bibel für uns alle: Ihr seid getauft, also befreit.

Ihr habt die innere Kraft, euch von nichts und niemandem vereinnahmen zu lassen.

Ich für mein Teil bleibe ein Follower von Paulus.

Sein Galaterbrief noch einmal aus der Kurznachrichten-Bibel:

 

„Seid zur Freiheit berufen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Lebt im Geist.

Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede.“

 

Dem ist nichts hinzuzufügen. Amen.

 

Ulrike Scholtheis-Wenzel

 

Zurück