Erntedankpredigt 2023

Lukas 12, 15-21

Glückwunsch an unsere Jugend!

Glückwunsch an Tim und Lilli und Mathis,

an Jonas, Julius, Gustav, an Katharina, Christine, Mariam, Rosa und an Giselle,

an Lewin und Lara und Mike!

Glückwunsch an die 16 bis 20 jährigen aus unserer Gemeinde,

die sich dafür engagiert haben, dass das Paul-Schneider-Haus

ein weiteres Siegel bekommt. Gestern – am Vortag des Erntedankfestes –

wurde ihnen das Zertifikat des Fairen Jugendhauses verliehen.

Eine Auszeichnung der Evangelischen Jugend im Rheinland.

 

Mitten in der Corona-Zeit fing alles an, mit einem Fairen Frühstück per zoom.

Jeder saß vor seinem eigenen Teller

und wusste neben leckerem Essen etwas beizutragen: Fakten. Wissen.

Was sind die Handelswege von Kakao und Orangensaft?

Wie lässt sich der Frühstückstisch regional und plastikfrei decken?

Vegetarisch oder womöglich vegan...Lecker und lehrreich!!

 

Später ging es um faire Kleidung.

Die Jugendlichen organisierten eine Kleidertauschbörse.

Es ging um klimagerechtes Reisen:

zu Fuß ins Heimbachtal statt mit dem Flieger nach Teneriffa.

Es ging um nachhaltige Kosmetik, um Beinwell-Masken und Aloe Vera- Peeling.

Es ging um so Vieles. Und immer wieder um das Eine:

Wie werden wir mit weniger glücklich? Wieviel reicht uns zum Leben?

Wieviel ist gerecht und genug?

 

Und an dieser Stelle kommt nun der Predigttext ins Spiel.

Lukas 12, 15-21:

 

Jesus sagte zu allen: „Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier!

Denn auch wenn jemand im Überfluss lebt,

so hängt sein Leben nicht von seinem Besitz ab.“

Dazu erzählte Jesus ihnen ein Gleichnis:

„Die Felder eines reichen Grundbesitzers brachten eine besonders gute Ernte.

Da überlegte er: „Was soll ich tun? Ich habe nicht genug Platz, um meine Ernte zu lagern.“

Schließlich sagte er sich: „So will ich es machen:

Ich reiße meine Scheunen ab und baue größere.

Dort werde ich dann das ganze Getreide und alle meine Vorräte lagern.

Dann kann ich zu mir sagen: Nun hast du riesige Vorräte, die für viele Jahre reichen.

Gönn dir Ruhe! Iss, trink und genieße das Leben!“

Aber Gott sagte zu ihm: „Du Narr!

Noch in dieser Nacht werde ich dein Leben von dir zurückfordern.

Wem gehört dann das, was du angesammelt hast?“

So geht es dem, der für sich selbst Schätze anhäuft, aber bei Gott nichts besitzt.

 

Ist das ein Erntedank-Text, liebe Gemeinde?

Schon vor Jahrzehnten intervenierte der Bauernverband bei der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wirklich.

Sie sagten: Das Gleichnis vom reichen Kornbauern greift einen vielfach gescholtenen Berufsstand schon wieder an. Und das ausgerechnet zum Erntedankfest,

an dem jeder sich über Brot und Trauben auf dem Altar freut.

Und tatsächlich wurde das Gleichnis herabgestuft

vom Hauptevangelium des Erntedankfestes zum Predigttext ferner liefen.

Aber der ist dieses Jahr dran – in der fünften Lesereihe.

Das vorweg für kirchliche Insider.

 

Das Gleichnis vom reichen Kornbauern – ein Erntedank-Text im Jahr 2023?

Schauen wir neu und unbefangen hin!

Es ist ja ein Gleichnis für uns alle, nicht nur für die wenigen Winzer und Bauern hier

und auch nicht nur für die Reichen unter uns.

Es hält uns allen mit unserer ganz normalen Wachstumsphilosophie

einen kritischen Spiegel vor.

Der reiche Kornbauer tut ja überhaupt nichts Unmoralisches.

Er sorgt sich um seine große Ernte. (Diese Sorgen möchte mancher haben-)

Er sorgt sich um seinen persönlichen Gewinn und Genuss.

Die Wörter „Ich“ und „Mein“ fallen auffallend oft.

Habgier kann ich im Gleichnis selbst kaum erkennen.

Eher schon diese Selbstbezogenheit: alles und noch mehr – allein für mich.

Und das geht in seinem Leben nicht auf.

 

„Es reicht! Mehr Mut zu Suffizienz!“

Unter dieser Überschrift zieht das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit

zum Erntedankfest.

Ich sage nur: Brot für die Welt und Misereor und hundert andere.

„Es reicht! Mehr Mut zu Suffizienz!“ -

Suffizienz? -  Genügsamkeit, Bescheidenheit, das rechte Maß.

Die kirchlichen Hilfswerke, die sich global auskennen, sagen laut,

was vor den Wahlen keine Partei auch nur leise sagt:

Für die Zukunft der Erde ist es wichtig, mit weniger auszukommen.

Und an andere zu denken. Statt Wachstum – Weniger.

Statt Selbstbezogenheit – Solidarität. Statt Gier ein glückliches, genügsameres Leben.

 

Wird Erntedank so für uns alle zum Gipfel der Moral?

Zum kritischen Anstoß für die politische Agenda? - Das wäre mir zu kurz gegriffen!

Der Predigttext sagt: Es geht um die Psyche, die Seele.

Es geht um das spirituelle Heil.

Das verspielt ein Mensch mit einer gierigen Lebensweise, mit Wachstumswahn.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass zwei von zehn Geboten vor Gier warnen?

Nummer 9 und 10: Du sollst nicht begehren!

Denn Gier kennt keine Grenzen und macht unfrei.

Gottes Gebot für uns heute: Stellt gegen die Gier ein bewusstes Genug!

Gegen den Traum vom grenzenlosen Wachstum ein entschiedenes Weniger.

Und erlebt, dass Gott euch Lasten von den Schultern nimmt

und einen zuversichtlichen Weg nach vorne zeigt.

 

Milla geht ins zweite Schuljahr und hat im Lesesommer ein Buch über Greta verschlungen.

Sie will sich jetzt auch freitags auf den Marktplatz setzen und für das Klima streiken.

Ihre Mutter ringt die Hände und weiß, die 8 jährige will lernen und handeln.

Sie selbst will nun ein Kinderprojekt anstoßen: Mit Köpfchen Weihnachten feiern.

Um nachhaltiges Backen könnte s gehen. Um selbstgemachte Verpackungen.

„Dann kommen zu den Grünen Hähnen bald die Grünen Küken?“, schmunzelte ich.

Vielleicht. Ja, vielleicht.

 

Glückwunsch an Werner und Katrin und Florentine!

Glückwunsch an Marvin und Lilith und Gerald!

Glückwunsch Euch allen, groß und klein, die Ihr lernt und lebt für die Zukunft dieser Erde!

 

Liebe Gemeinde, ich träume von einem Grünen Generationen Gipfel.

In unserer Evangelischen Paul-Schneider-Gemeinde.

Und versteht grün heute nicht parteigebunden

sondern als liturgische Farbe des Erntedankfestes.

Ich träume also von einer jährlichen Erntedank-Konferenz:

Grüner Hahn – Faires Jugendhaus – Öko-Kids.

Gemeinsam soll es uns gehen um diese wunderbare Welt, die wir Gott verdanken.

Und um unserer Seelen Seligkeit.

Paulus träumte einmal ein schönes Christuswort, das mir gerade heute zu passen scheint:

„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Maßvollen mächtig.“

Amen.

 

Ulrike Scholtheis-Wenzel

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