Dialog-Ansprache im Gründungsgottesdienst am 9. Januar 2022

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Jesus Christus ist der allerbeste Ausleger dieses Wortes, sagt der Predigttext dieses Sonntags. Er ist Weg, Wahrheit und Leben.

Er blieb der Wahrheit treu wie kein Zweiter. In seiner Nachfolge steht Paul Schneider, und in großem, großem Abstand hinterher: Wir!

Ulrike Scholtheis-Wenzel:

Liebe Paul-Schneider-Gemeinde,
unseren ersten gemeinsamen Gottesdienst feiern wir zu Epiphanias.
Und wir halten uns an das Evangelium dieses Tages.
So hat es Paul Schneider in seinen Gemeinden auch gemacht:
Zur Predigt suchte er nicht selbst etwas Passendes oder Besonderes heraus.
Er stellte sich dem Wort der Schrift, das die Kirche auf ihren Kalender gesetzt hatte.
Heute tritt uns von daher Johannes 1 entgegen, die Verse 15-18:

„Johannes zeugt von ihm (von Jesus) und ruft:
Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen,
der vor mir gewesen ist, denn er war her als ich.
Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.
Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben;
die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Niemand hat Gott je gesehen.
Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.
(Der hat ihn für uns ausgelegt).“

Ralf Anacker:

Es ist und bleibt für mich ein wunderbares Geheimnis des Heiligen Geistes, dass das Wort Gottes uns so oft unmittelbar in unsere eigene Situation hinein ansprechen kann. Gerade das erlebt man, wenn man dem Predigttext vom Sonntag nimmt und sich ihm stellt. Johannes zeugt von Jesus. Ich sehe Paul Schneider wie Johannes als Zeuge. Aber jetzt wird es sprachlich spannend. Im griechischen Text lese ich das Wort martyrein für Zeugnis ablegen. Das Hauptwort ist dann Märtyrer. Die Verkündigung ist ein Auftrag für das ganze Leben. , Johannes der Täufer bezeugte Jesus Christus und bezahlte sein Zeugnis mit seinem Leben, auch Paul Schneider hat mit seinen Worten und mit seinem ganzen Leben Jesus Christus verkündet.

Ulrike Scholtheis-Wenzel:

„Zeuge sein“ ist das erste Wort,
das unser Evangelium mit dem Namensgeber unserer Gemeinde verbindet.
Ein zweites ist das Wort „Wahrheit“.
„Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“.
Ich weiß, die Wahrheitslinie zieht sich durch das ganze Johannesevangelium.
Bis zur Passions-Geschichte. Da lese ich:
„Christus spricht: Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen,
dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“
Das, Ihr Lieben, ist Paul Schneiders Konfirmationsspruch!!
Nachzulesen im „Prediger von Buchenwald“.
Rückwirkend staunt da Margarethe Schneider selbst,
wie genau die Bibelwort das Leben ihres Mannes leitete.
Er blieb der Wahrheit treu.
Und das wäre unserer jungen Gemeinde sicher ins Stammbuch zu schreiben.

Ralf Anacker:

Der Wahrheit treu bleiben. In vielen Biografien großer christlicher Persönlichkeiten finden wir dieses Zeugnis: Der Wahrheit treu bleiben. Sie folgen damit dem Auftrag der Propheten des Alten Testamentes und dem Anspruch und Zuspruch Christi auf unser ganzes Leben. Die erste große christliche Persönlichkeit, die mich geprägt hat, ist Dietrich Bonhoeffer. Warum?: ich ging auf das Dietrich Bonhoeffer Gymnasium im oberbergischen Kreis. Sowohl in der Unterstufe, in der Mittelstufe und in der Oberstufe wurde Dietrich Bonhoeffer im Unterricht behandelt. Das hat geprägt. Vergangene Woche fand ich, für mich beglückend und sehr ergreifend, eine Verbindung zwischen Bonhoeffer und Schneider.
Ich lese ein paar Zeilen von Bonhoeffers Schwester Sabine Leibholz, die ich in der Neuauflage des „Predigers vom Buchenwald“ fand. (S. 397):

Als Dietrich gerade am Klavier saß und mit den Kindern sang, kam Pastor Rieger höchst bestürzt und brachte ihm die Schreckensnachricht vom Tod des Pastors Paul Schneider im Konzentrationslager Buchenwald. Dietrich war sehr blass, als er uns davon erzählte. Ich entsinne mich, dass er schwer atmete, und auch daran, dass er sich später zu den Kindern wandte und sagte: „Hört mal zu, Kinder! Den Namen dürfte nicht vergessen, Paul Schneider ist unser erster Märtyrer.“ Und er erzählte ihnen von ihm.

Ulrike Scholtheis-Wenzel:

Das haben wir als Gemeinde vor:
Die Geschichte Paul Schneiders zu erinnern, zu erzählen,
gerade auch für die jüngere Generation.
Und dann für uns durch zu buchstabieren:
Was heißt es denn heute, der Wahrheit treu zu bleiben?
Was heißt das für unsere junge Gemeinde aus drei Dörfern und einer kleinen Stadt?
Wie gelingt es uns, Gottesdienst nah bei den Menschen zu feiern,
in den vier historischen Kirchen, aber auch außerhalb,
draußen und sichtbar für alle?
Wie gelingt es uns, auf Jung und Alt zuzugehen?
Paul und Margarethe Schneider machten auf dem Hunsrück mehr Hausbesuche,
als unser Präses von uns verlangt.
Wie gelingt es uns, nach innen Gemeinde Jesu Christi aufzubauen
und nach außen klare Haltung zu zeigen?

Ralf Anacker:

In der Tat: Der Wahrheit treu zu bleiben hat auch eine prophetisch-politische Dimension für und in der Welt.
Der Direktor unseres Gymnasiums wurde z. Bsp. für viele Jahre Landrat des Oberbergischen Kreises. Politik und Glaubenszeugnis waren für ihn keine zwei Welten.

Wir sind alle vielleicht so Corona-Depressiv und der Nachrichten über Corona Schlagzeilen so müde, dass wir gar keine Kraft mehr haben, uns den Herausforderungen des Christ Seins in der Welt zu stellen.
Wir müssen wach bleiben und dürfen uns nicht ablenken lassen von humanitären globalen Katastrophen: Hunger in Afrika, Was macht unser Partnerkirchenkreis in Rwanda? , Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt, Olympische Spiele in China  und Fussballweltmeisterschaft in Quatar mit den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen, der Rechtsruck in Europa, Kriegsgefahr in der Ukraine sind zu diskutieren und..und und und.
Eine Paul-Schneider-Gemeinde muss die Augen offen halten und auch das Wort ergreifen, wenn es das Evangelium verlangt.


Ulrike Scholtheis-Wenzel:

Wir haben wirklich viel zu tun!
Vor allem anderen aber: uns an das Wort Gottes zu binden,
daraus Motivation und Energie zu schöpfen.
Jesus Christus ist der allerbeste Ausleger dieses Wortes,
sagt der Predigttext dieses Sonntags. Er ist Weg, Wahrheit und Leben.
Er blieb der Wahrheit treu wie kein Zweiter.
In seiner Nachfolge steht Paul Schneider,
und in großem, großem Abstand hinterher: Wir!
Amen.

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Paul und Margarethe Schneider mit Familie