Ansprache beim Tischabendmahl – Gründonnerstag 2024 –

1. Korinther 11, 23-26

Die Korinther sind sich nicht grün.

Es knirscht zwischen den Christen der jungen Paulus-Gemeinde.

Am deutlichsten wird das, wenn sie sich zum gemeinsamen Mahl versammeln.

 

Böse Zungen sagen:

„Da verzehren die einen ihren Braten und die anderen beißen in ihre Zwiebeln.“

Man hört: Da kommen die Herren zum Herrenmahl am hellichten Tage.

Die Gastgeber fahren groß auf und bewirten sehr üppig.

Sie rühmen sich ihres Reichtums – um mit Paulus zu sprechen.

Man hört: Da kommen die Sklaven, die Arbeiter und Armen zum Abendmahl,

wenn die Sonne untergegangen ist, treffen auf eine angeheiterte Gesellschaft

und müssen sich mit ein bisschen Brot und Wasser begnügen.

 

Paulus hört das.

Er ist wieder einmal unterwegs. Die Gerüchte erreichen ihn in Ephesus.

Und er schreibt sogleich eine gepfefferte Epistel,

vor allem an die Adresse der Wohlhabenden.

„Wenn ihr als Christen zusammenkommt, sollt ihr das Mahl des Befreiers feiern. Jesus.

Wenn ihr Brot und Wein teilt, sollt ihr die neue Welt der Gerechtigkeit abbilden.

Von euren Versammlungen höre ich das Gegenteil!

Ihr Vermögenden beschämt die Armen und vertieft die Ungerechtigkeit.

So schwächt ihr den ganzen Leib Christi.

Denn das sollt ihr als Gemeinde sein: der Leib Christi des Gekreuzigten und Auferstandenen, in dem Armut und Reichtum sich gegenseitig aufheben.“

 

Liebe Gemeinde in der Matthiaskirche,

ist das unser Thema an diesem Gründonnerstag: die Kluft zwischen Arm und Reich?

Ist es das, was unsere Mahlgemeinschaft in Frage stellt?

Auf den ersten Blick nicht.

Wenn ich durch unsere Reihen schaue, sieht alles schön bürgerlich aus,

mehr oder weniger mittelständisch.

Auf den zweiten Blick zeigt diese polierte Oberfläche auch bei uns Risse:

 

Beispiel 1:

Vor einem Monat meldete sich eine Konfirmandin per whatsapp vom Unterricht ab.

„Warum denn jetzt?“, fragte ich im direkten Gespräch. „Warum so kurz vor dem Ziel?“

Antwort:

"Omas Wohnung ist zu klein für ein Fest und eine Gaststätte können wir nicht bezahlen.

Und überhaupt: Wen soll ich denn einladen?“

Ich war bestürzt, bot natürlich das Paul-Schneider-Haus an,

aber die Scham saß schon zu tief.

 

Beispiel 2:

Vor zehn Tagen saßen wir beim Iftar zusammen, beim Fastenbrechen im Ramadan.

Eine ältere Frau sagte: „ Am Monatsende habe ich schon oft gefastet – für meine Enkel.“

Die Tischnachbarn dachten, sie hätten sich verhört,

aber dann erzählte sie von der Tafel, die sie zum täglichen Auskommen brauche

und wo sie auch ehrenamtlich arbeite.

 

Liebe Abendmahlsgemeinde, unsere Oberfläche täuscht.

Es gibt tiefgreifende soziale Unterschiede in unserer Gesellschaft.

Und es ist eine selbstkritische Frage an uns,

warum die Armen selten den Weg in den Gottesdienst finden,

oder warum wir sie nicht sehen.

 

Noch einmal zurück nach Korinth. Zu Paulus’ Epistel.

Paulus schreibt übrigens nicht vom „Abendmahl“.

Diese Bezeichnung stammt von Martin Luther,

der beim Übersetzen schon ein festgefügtes Sakrament vor Augen hatte.

Paulus spricht auch nicht vom Herrenmahl.

Das wäre doch zu missverständlich angesichts der Herren in Korinth.

Der Apostel nennt es : das Mahl des Befreiers.

Und er erinnert die gespaltene Mahlgemeinschaft in Korinth an die basics,

an das, was seit Jesu Zeiten weitergegeben wurde.

Fünf Verse, die ich sehr aufregend finde, die ältesten zum Mahl im Neuen Testament.

Da ist noch vieles im Fluss, noch längst nicht liturgisch fixiert oder sakramental gefestigt.

Eine Hand voll biblischer Entdeckungen für Euch heute:

 

„In der Nacht, in der er ausgeliefert wurde nahm der, dem wir angehören, Jesus,

das Brot. Er sprach den Segen und brach das Brot.“

 

Jesus beginnt das Abendessen mit dem jüdischen Brotsegen.

Ob dies Abendmahl ein Pessachmahl war, ist kalendarisch unklar.

Ganz sicher feierte Jesus keine Pessach-Haggada (Liturgie).

Die entstand erst im rabbinischen Judentum, viele Jahre später.

Jesus beginnt sein letztes Mahl wie jedes Mahl

mit dem Lob dessen, der Erde und Brot geschenkt hat,

der die Armen aus der Sklaverei führt und alle Welt zum Teilen erziehen will.

 

„Und Jesus sagte: So ist mein Leib für euch; das tut zur Erinnerung an mich.“

 

Bei diesem Vers schlug mein Herz höher!

„So ist mein Leib“ – Statt: „Das ist mein Leib“.

Grammatikalisch lässt sich das erste Wort nicht auf das Brot,

sondern nur auf die Gemeinschaft beziehen.

Der Theologe Jürgen Ebach schreibt deshalb:

Schlagt beim Mahl nicht das Kreuz über dem Brot,

sondern breitet die Arme aus zur versammelten Gemeinde:

So ist der Leib Christi! Ihr seid der Leib des Auferstandenen,

wenn ihr euch beim Mahl gegenseitig wahrnehmt und Rücksicht nehmt.

Paulus entfaltet das genau so im folgenden Kapitel – 1. Korinther 12 :

Die Gemeinde ist der Leib des Befreiers, aber nicht das Brot, das sie teilt.

 

„Nachdem die Mahlzeit beendet war, nahm er ebenso den Becher mit den Worten:

Der neue Bund durch mein Blut ist mit diesem Becher da.“

 

Das Teilen von Brot und Wein war also in ein Abendessen eingebettet

und kein Anhängsel an den Gottesdienst für besonders Fromme.

Darum sitzen wir heute versuchsweise an Tischen.

Angesichts seines Todes erinnert Jesus an Jeremia, an den neuen Bund.

Jeremia spricht davon, dass im neuen Bund

die Gebote nicht mehr befolgt, sondern einfach beherzigt werden.

Und Jesus nimmt das auf: Selig, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit,

denn sie sollen satt werden.

Nehmt das zu Herzen, wenn ihr den Becher kreisen lasst: den erneuerten Bund.

 

„Das tut, sooft ihr trinkt, zur Erinnerung an mich!“

 

Zweimal betont Jesus das:

Erinnert euch an mich, wenn ihr das Brot brecht und wenn ihr den Becher teilt.

Erinnern sollen wir uns an seinen Tod und an seine Auferstehung. Aber nicht nur daran.

Erinnern sollen wir uns beim Mahl an die ganze Jesus-Geschichte.

An seine Predigt vom Reich Gottes und der neuen Gerechtigkeit.

An seine Wunder: Fünf Brote und zwei Fisch machen so viele satt.

An seine Tischgemeinschaft mit den Zöllnern und Sündern.

Jesu Zuwendung verändert viele Wohlhabende. All das sollen wir erinnern.

 

„Immer wenn ihr dieses Brot esst und aus dem Becher trinkt,

verkündet ihr den Tod des Befreiers, bis er selbst kommt.“

 

Das ist nun der Kommentar des Paulus

zu den Jesus-Worten, die er weitergibt.

Leider gehört er nicht zu den späteren Einsetzungsworten.

Dabei bringt er zu Bewusstsein, dass wir noch im Vorläufigen und Fehlerhaften leben.

Dass diese Welt noch großen Veränderungsbedarf hat – und auch unsere Gemeinde.

Ihr fehlt noch einiges an Gerechtigkeit.

 

Soweit meine Anmerkungen zu den Predigtversen.

Aber wie ging der Konflikt in Korinth weiter? Hat Paulus eine Lösung?

Da bin ich sehr skeptisch.

Paulus empfiehlt den Wohlhabenden, ihre Gelage privat abzuhalten

und das Mahl des Befreiers für alle in bescheidenem Rahmen.

„Vorläufig“, schreibt er. „Wenn ich komme, reden wir weiter.“

Gut, dass er „vorläufig“ sagt, denn auf Dauer muss es doch um mehr Gerechtigkeit gehen.

Auch bei uns.

Dass wir gemeinsam an Tischen sitzen, wird beim gottesdienstlichen Mahl

wahrscheinlich die Ausnahme bleiben.

Aber wir könnten der Kollekte im Abendmahl eine größere Bedeutung beimessen.

Und darüber hinaus jedes diakonische Engagement stärken,

das die Armen aus der Beschämung holt und ihnen mehr Recht verschafft.

Wenn wir diese Konsequenzen des Mahls beherzigen,

dann wird die Gemeinde wohl gesegnet sein, stärker, lebendiger und vielfältiger als zuvor.

Dann wird sie wirklich zum Leib Christi in dieser Welt.

 

 

Ulrike Scholtheis-Wenzel

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